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Angriff auf Israel: Social Media, die Medien und die Nutzer

Angriff auf Israel
Auf diesem Foto eines Videos attackiert ein bewaffneter Mann von hinten einen blutenden Mann während eines Angriffs von militanten Hamas-Kämpfern auf dem Tribe of Nova Trance Musikfestival in der Nähe des Kibbuz Reim.

Jeder Krieg erzeugt seine schrecklichen Bilder. In sozialen Medien wie X (früher Twitter), Tiktok oder Instagram entdeckt man sie massenhaft. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel ist das neueste Beispiel. Deshalb steigt der Rechercheaufwand in Redaktionen. Kontrolleure für Jugendschutz im Netz haben Bedenken.

«Heute liegen mehr Bilder aus den sozialen Netzwerken vor. Die Verifikationsprozesse haben sich demnach vermehrt, der Standard aber ist geblieben», erläutert ARD-aktuell («Tagesschau» und «Tagesthemen»). Social-Media-Quellen hätten allgemein im vergangenen Jahrzehnt für Berichterstatter an Bedeutung gewonnen, sie seien aber nur eine Quelle im Zusammenspiel vieler Informationsgeber.

Vom Nachrichtensender Welt TV heißt es: «Social Media ist in dieser Zeit grundsätzlich eine weitere wichtige Quelle, die aber natürlich sehr kritisch hinterfragt werden muss. Von wem stammt die Information, wie glaubwürdig ist sie, wer oder was steckt dahinter – nicht nur, aber gerade in Kriegszeiten ist das besonders wichtig.» Durch den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz sei dieses genaue Prüfen noch einmal wichtiger geworden.

Eine Sprecherin des Konkurrenzsenders ntv teilt mit, gezeigtes Bild- und Videomaterial werde immer eingeordnet und laufe nie ungefiltert und nie ohne Kontext. Soziale Medien können demnach wichtige Informationen liefern. Zugleich: «Wir wissen, dass es Einzelpersonen und Interessensgruppen gibt, die bewusst über die sozialen Medien desinformieren wollen. Daher prüfen wir alle Informationen aus den sozialen Medien besonders sorgfältig.»

Ungefilterte Aufnahmen

Die Medienethik-Wissenschaftlerin Jessica Heesen von der Uni Tübingen sagt, während es im Journalismus Regeln gebe, wie man sich in Bezug auf bildethische Fragestellungen verhält, sei das in sozialen Medien anders. «Dort wird teilweise das gepostet, was Menschen gerade erleben. Ganz ungefiltert. Und dann wird sich auch keine Gedanken darüber gemacht, wie das bei anderen ankommen könnte.»

Selbst ungefilterte Aufnahmen zeigten nur einen Ausschnitt. Heesen ergänzt, wenn die Einordnung und die Bewertung fehlten, könne man schnell durch solche vermeintlich realistischen Bilder fehlgeleitet werden. «Einfach nur draufhalten, fotografieren und in die sozialen Medien schicken, sagt uns noch nicht, was wirklich passiert.»

Manipulationen

Politiker in Deutschland und auf EU-Ebene sind wegen eines anderen Aspekts in sozialen Medien alarmiert. EU-Kommissar Thierry Breton schrieb einen Brief an Elon Musk wegen seiner Online-Plattform X (früher Twitter). Es gebe Hinweise auf Bilder, die manipuliert seien oder eigentlich aus Videospielen stammten.

Facebook, X, Google und andere Plattformen müssen nach einem neuen EU-Gesetz scharf gegen illegale Inhalte wie Hass und Hetze im Netz vorgehen, sonst drohen ihnen Geldbußen. Auf dem X-Profil, wo über Maßnahmen zur Plattform-Sicherheit informiert wird, hatte es zu Wochenbeginn geheißen, man sei gegen Zehntausende Beiträge vorgegangen. Auch seien neu geschaffene Accounts mit Verbindungen zur Hamas entfernt worden.

Wenn Kinder und Jugendliche Kriegsbilder sehen

Deutsche Medienregulierer betonen den Schutz von Kindern. Der Direktor der Medienanstalt Rheinland-Pfalz und Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz, Marc Jan Eumann, teilt mit: «Hier dürfen nicht Klicks zählen, sondern die Menschenwürde der Opfer und der Schutz von Kindern und Jugendlichen müssen absolute Priorität haben.» Und: «Detailaufnahmen von Leichen gehören nicht in den Social-Media-Feed eines 14-Jährigen. Zudem müssen wir Kinder und Jugendliche vor Desinformation und Propaganda schützen.» Er rief auch dazu auf, irritierende Inhalte zu melden. Eltern sollten zudem mit ihren Kindern über das Geschehen sprechen.

Bildethische Regeln im Journalismus

Der Deutsche Presserat wandte sich vorsorglich an Redaktionen, um zu sensibilisieren. Rats-Sprecherin Kirsten von Hutten erläutert, man habe zugleich den Eindruck, dass Medien sehr sorgsam mit Bildmaterial umgehen. Redaktionen seien auch bei Kriegsgeschehen wie den Gräueltaten in dem ukrainischen Ort Butscha im vergangenen Jahr verantwortungsvoll umgegangen. Es seien kaum Beschwerdefälle eingegangen.

Im Pressekodex listet der Presserat als Selbstkontrolle der Print-Medien und ihrer Online-Auftritte einen ethischen Leitfaden auf. Zum Beispiel soll auf übertrieben sensationelle Darstellung von Gewalt verzichtet und die Identität von Opfern geschützt werden.

Der Foto-Chef der Nachrichtenagentur Deutsche Presse-Agentur (dpa), Peer Grimm, erläutert: «Teilweise werden Bildinhalte, vor allem wenn Persönlichkeitsrechte betroffen sind, von uns partiell verpixelt.» Weitere Motive werden mit dem bei internationalen Nachrichtenagenturen, die Medienhäuser mit ihren Inhalten beliefern, üblichen Zusatz «Graphic Content» versehen, um auf besonders drastische Bilder hinzuweisen.

Von der «Süddeutschen Zeitung» heißt es: «Wir bewegen uns bei der Auswahl der Fotos im Spannungsfeld, die fürchterlichen Ereignisse darzustellen und den Leserinnen und Lesern zu vermitteln, aber doch nicht alle Bilder zu zeigen, die zur Verfügung stehen. Besonders bei der Abbildung von Opfern sind wir nicht nur in diesem Konflikt bewusst zurückhaltend.»

Für die Boulevardmarke «Bild» teilt ein Sprecher mit: «Die verstörenden Bilder, Videos und Nachrichten, die uns täglich erreichen, sind schockierend. Gerade daher ist es für uns wichtig, die Realität dieser grausamen Ereignisse auch im Foto und Video zu zeigen. Wir diskutieren jeden Tag intensiv in der Redaktion, welche Bilder wir unseren Leserinnen und Lesern angesichts des Leids der Menschen in Israel zumuten können und müssen.»

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