zum Inhalt

Aus Luft werde Kohlenstoff - Forschung für Klimaschutz

Kohlenstoff am KIT
Karlsruher Institut für Technologie (KIT) hat Kohlenstoff aus der Umgebungsluft gewonnen.

Schon ein leichter Windhauch reicht, um das schwarze Pulver wegzuwehen.

Es ist der Hightech-Rohstoff Carbon Black, den Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) wortwörtlich aus Luft hergestellt haben. Mit einer Apparatur saugen sie klimaschädliches CO2 aus der Umgebungsluft und stellen daraus Kohlenstoff her. Carbon Black ist dabei nicht alles, wie Benjamin Dietrich vom KIT-Institut für Thermische Verfahrenstechnik sagt. Je nach Temperatur und Druck könnten auch Graphit und Graphen hergestellt werden – in der Industrie begehrte Materialien.

Ob Bauindustrie oder Farbindustrie, ob für Solarzellen, Touchscreens, Lithium-Ionen-Batterien oder Autoreifen – die Einsatzmöglichkeiten dieser Produkte sind vielfältig. So betont zum Beispiel der Verband der Mineralfarbenindustrie den «exzellenten» UV-Schutz und die antistatische Wirkung von Carbon Black, auch Industrie-Ruß genannt. In einer Studie geht das Marktforschungsunternehmen Ceresana davon aus, dass die Nachfrage allein nach Carbon Black bis 2030 weltweit auf mehr als 17 Millionen Tonnen pro Jahr wächst. 

Experimente mit Temperaturen zwischen 900 und 1200 Grad

Dagegen wirkt das halbe Kilogramm Kohlenstoff, das die Versuchsanlage am KIT laut Dietrich aus zwei Kilogramm CO2 an einem achtstündigen Arbeitstag herstellt, eher mickrig. Doch das Forscherteam ist erst am Anfang: Mit verschiedenen Temperaturen zwischen 900 und 1200 Grad und unterschiedlich hohem Druck testet es, wie sie die Endprodukte beeinflussen können.

Das Ganze funktioniert in einem mehrstufigen Verfahren: Mithilfe eines sogenannten Adsorbers wird CO2 aus der Luft abgetrennt – das nennt man «Direct Air Capture». Im zweiten Schritt werden Kohlenstoff und Sauerstoff über chemische Prozesse getrennt und gehen neue Bindungen ein, das Ergebnis sind Methan und Wasser. Im Methan steckt der Kohlenstoff, der in einem Reaktor mit flüssigem Zinn abgespalten wird. Pyrolyse heißt dieser Verfahrensschritt.

In dem NECOC genannten Projekt untersucht das Team, wie hoch der Energieaufwand ist und ob Schadstoffe als Zwischenprodukte entstehen, wie Dietrich erklärt. Teile des anfallenden Wasserstoffs wiederum fließen zum Beispiel direkt wieder in die Methanisierung. Am Ende macht der Prozess «selbstverständlich nur Sinn», wenn durch die Herstellung der notwendigen Energie nicht CO2 entsteht, räumt Dietrich ein – wenn also mit erneuerbaren Energien gearbeitet wird.

Purr: «Viel Potenzial»

So sieht es auch Katja Purr, die das Fachgebiet «Strategien und Szenarien zu Klimaschutz und Energie» beim Umweltbundesamt leitet: Wenn erneuerbare Energien eingesetzt würden, verspreche der Ansatz «viel Potenzial für die Zukunft».

Denkbar ist laut Dietrich auch, Emissionen etwa aus der chemischen Industrie mit einer dort standardmäßig eingesetzten Wäsche aufzureinigen und das so herausgefilterte CO2 direkt in den zweiten Schritt des NECOC-Prozesses, also die Methanisierung, zu führen. Die Lösung für die Zukunft ist das aber nicht wirklich, weil dann ja möglichst ohne fossile Kohlenstoffquellen gearbeitet werden soll – Stichwort Dekarbonisierung. «Schornsteine müssen weniger werden, wenn wir die Klimawende schaffen wollen», betont auch Purr.

Das drängendere Hauptproblem ist, dass zu viel klimaschädliches CO2 in der Atomsphäre ist. Denn Kohlendioxid heizt den Planeten auf. Das bekomme man nur durch sogenannte negative Emissionen heraus – also die Entnahme von Treibhausgasen, macht Purr deutlich. «Wir brauchen negative Emissionen, daran führt kein Weg vorbei.»

Enorme Menge muss aus Atmosphöre geholt werden

Allerdings bescheinigte ein Bericht des Mercator Research Institutes on Global Commons and Climate Change (MCC) der Staatengemeinschaft jüngst enormen Aufholbedarf. Mit neuartigen Methoden würden aktuell gerade einmal 0,002 Gigatonnen (Milliarden Tonnen) CO2 pro Jahr entnommen. Mit Blick auf die Klimaziele müsste es bis Mitte des Jahrhunderts jedoch – über verschiedene Szenarien gemittelt – 1300 Mal so viel sein. Zur Einordnung: Schätzungen zufolge betrug der globale CO2-Ausstoß im vergangenen Jahr 40,6 Gigatonnen.

Dabei gibt es mittlerweile mehrere Möglichkeiten, bei denen CO2 zum Beispiel in riesigen Mengen im Boden gespeichert oder gar in Stein umgewandelt werden soll. «Wissenschaftler gehen davon aus, dass durch die Abscheidung von CO2 bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe und einer anschließenden unterirdischen Speicherung 65 bis 80 Prozent des CO2 dauerhaft aus der Atmosphäre ferngehalten werden können», erläutert das Umweltbundesamt dazu.

Carbon Capture und Storage ist umstritten

Doch die als Carbon Capture and Storage bezeichnete Technik ist umstritten. Es komme stark auf den Untergrund an, erklärt Purr. Ein enges Monitoring sei nötig, um zu schauen, dass das CO2 wirklich im Boden bleibt. In Deutschland ist bisher nur die Erforschung, Erprobung und Demonstration solcher Technologien erlaubt.

Insofern sei das Einspeichern in festen Kohlenstoff wie bei NECOC gegebenenfalls auch die sicherere Variante, sagt Purr. «So ein Ansatz ist mir zum ersten Mal untergekommen.» Auch Dietrich vom KIT sagt, die einzelnen Teilprozesse seien zwar seit einiger Zeit entwickelt und erprobt worden. Aber: «Der Prozessverbund mit seinen besonderen Herausforderungen ist nach unserem aktuellen Kenntnisstand weltweit erstmalig so realisiert worden.» Zudem nehme das KIT bei der Flüssigmetall-basierten Pyrolyse als wesentlichem Teilschritt einen führenden Platz weltweit ein.

Das passt zu aktuellen Diskussionen: Denn inzwischen geht es immer öfter darum, CO2 nicht nur zu speichern, sondern weiterzuverwenden. Kurz vor Weihnachten beschloss die Bundesregierung, in diesem Jahr eine Carbon-Management-Strategie zu erarbeiten. Der CDU-Bundesvorstand wiederum sprach sich bei einer Klausurtagung Mitte Januar für «echte CO2-Kreislaufwirtschaft» aus. Mit dem Vermeiden von CO2-Emissionen allein sei Klimaneutralität nicht zu erreichen.

Noch aber steckt NECOC in den Kinderschuhen. Die Versuchsanlage, die das KIT mit zwei Firmen errichtet hat, ist im Containermaßstab aufgebaut. Grundlagenforschung eben. Auf die Frage, wann sie in größerem, relevanten Maßstab eingesetzt werden könnte, wagt Dietrich keine Prognose: «Da muss man schon noch einige Schritte machen.»

Kommentare

Aktuelles