„Es gibt viel Spielraum bei der Bewertung des deutschen DAX-Index“
Aktien stiegen stark. Der deutsche DAX-Index erreichte ein Allzeithoch. Zwei Börsenexperten erklären, worauf Anleger jetzt achten sollten
ntv.de: Zum Jahresende befindet sich die Börse im Endspurt. Und das alles nur, weil es wahrscheinlicher wird, dass Fed und EZB die Zinsen senken?
Daniel Solonz: Fed-Chef Jerome Powell machte ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk, als er im nächsten Jahr drei Zinssenkungen ankündigte. Sinkende US-Zinsen, stabile Unternehmensgewinne und ein stabiler Arbeitsmarkt – das ist derzeit ein gutes Szenario für den Aktienmarkt, das auch im Jahr 2024 zu erwarten ist.
In Deutschland sieht es noch unangenehmer aus. Bundesbank und Wirtschaftsforschungsinstitute prognostizieren eine Rezession. Der DAX-Index klettert immer noch auf Allzeithochs. Wird dies an der Börse verborgen bleiben?
Benjamin Feingold: Erwartungen werden an der Börse gehandelt. Anleger erwarten, dass die Zinsen im nächsten Jahr sinken werden – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa. Das wird der deutschen Wirtschaft helfen.
Saurenz: Ebenso wichtig für den Markt ist, warum die Zinsen gesenkt werden. Es wäre schön, wenn die Zentralbank dies aus einer Position der Stärke heraus tun würde, denn die Inflation ist unter Kontrolle. Wenn die Zinsen gesenkt werden, weil sich die Wirtschaft abkühlt und die Konjunktur angekurbelt werden muss, wäre das schlecht für den Aktienmarkt.
In den USA sind die Leitzinsen auf dem höchsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Auch nach der Zinssenkung werden die Zinsen hoch bleiben. Aber die Börse veranstaltet eine Party?
Feingold: Viele Menschen gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr aufgrund der rasant steigenden Zinsen Probleme haben wird. Derzeit scheint die Inflation jedoch zu sinken, ohne dass es zu einer Rezession kommt. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Die aktuelle Stimmung an der Börse ist gut. Doch die Stimmung an der Börse kann sich schnell ändern.
Wie viel Hoffnung gibt es für den DAX-Kurs?
Saurenz: Insgesamt gibt es im deutschen DAX-Index viel Platz. Allein SAP steuerte in diesem Jahr die Rekordzahl von 500 Punkten bei. Auch Rheinmetall und Adidas entwickelten sich gut. Klassische zyklische Werte liegen noch im Keller, etwa BASF oder LANXESS. Diese Aktien verdeutlichen deutlich die Sorgen um die deutsche Wirtschaft, beispielsweise hinsichtlich der Energiepreise. Für andere Aktien ist ein positiver Ausblick jedoch bereits eingepreist.
Feingold: Unternehmen müssen Ergebnisse liefern. Gleiches gilt für den deutschen DAX-Index, etwa für US-amerikanische Technologiewerte. Aus heutiger Sicht sind die Bewertungen in Ordnung, aber die erwarteten Gewinne werden nicht enttäuschen.
Lohnt sich die Teilnahme angesichts der Rallye seit dem Herbst noch?
Feingold: Das kann man nicht pauschal sagen. Der Nasdaq 100 ist ein Beispiel. Unter ihnen sind die Ratings der „Big Seven“ recht aktiv, nämlich Apple, Nvidia, Alphabet, Meta, Amazon, Tesla und Microsoft. Sie machen 40 % der Bewertung des Nasdaq 100 aus. Es gibt 93 weitere Unternehmen im Index. Die Präferenzen könnten sich nächstes Jahr ändern und andere Aktien könnten sich viel besser entwickeln als die Big Seven.
Saurenz: Das Beispiel U-Bahn oder Straßenbahn ist ein Klischee, aber man sollte ihnen nicht hinterherlaufen, weil die nächste kommt, aber für die Börse gilt es trotzdem. Die Stimmung an den Aktienmärkten war im Oktober schlecht und die Kurse waren niedrig. Ich bin jetzt gut gelaunt und die Preise sind stark gestiegen. Es wird auch in Zukunft eine Situation geben, in der fast niemand die Aktie haben möchte und der Preis sinken wird. Das sind tolle Kaufgelegenheiten. Unter dem Gesichtspunkt des Risiko-Ertrags-Verhältnisses sind die Kaufgelegenheiten zu Weihnachten allerdings nicht besonders spannend.
Benjamin Feingold und Daniel Saurenz betreiben das Börsenportal „Feingold Research“. Jan Gänger spricht mit ihnen.
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Quelle: www.ntv.de