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Fürst Reuß im Terrorprozess: Eine furchtbar nette Adelsfamilie

Im Frankfurter Terrorprozess gegen die Reichsbürger präsentieren sich die Angeklagten als friedliebende Familienmenschen. Mit einem sanften Auftreten versuchen sie, das Image als gewaltbereite Feinde der Demokratie zu erschüttern.

Heinrich XIII. Prinz Reuss schaut durch ein Fenster ins Publikum - und sieht seine Familie.
Heinrich XIII. Prinz Reuss schaut durch ein Fenster ins Publikum - und sieht seine Familie.

Reichsbürgerprozess - Fürst Reuß im Terrorprozess: Eine furchtbar nette Adelsfamilie

Vor dem Richter beginnt die Verhandlung: Zwei Beamte führen Prinz Heinrich XIII Reuss des Reuss vor das Glasverdeck, das die Besucher von dem Gerichtssaal trennt. Der Angeklagte trägt ein leichtes grünes Jumpsuit über eine rosa Hemd und braune Lederstiefel. Auf der anderen Seite ist die Tochter, die an Down-Syndrom leidet, umgeben von ihrer Mutter und Tante. Der Prinz macht Gesichter für seine Tochter und zeigt mit den Fingern auf die Ohren. Er versteht nicht, das Glas stäubt die Geräusche. "Ich hab dich" – unterbricht die Tochter. "Sage es ihm," sagt ihre Mutter. "Ich liebe dich."

Ein der Zuschauerinnen – sie war schon hier vorher – wippt ein Auge und weint.

Heinrich XIII Prinz Reuss: Vergewaltigung der Geist und Seele?

Die Anzeige des Prinzen war einige Tage zuvor etwas chaotisch gewesen. Er erzählte den Tränen – als Anführer einer Terrororganisation angeklagt – von seiner Familie, seinen vier Geschwistern und dem Leben seiner Eltern. Als Kind soll der Adelige angeblich an den Händen seiner Mitbewohner und Lehrer "Geistes- und Seelenvergewaltigungen" erlebt haben, wegen seines Namens.

Jetzt wollte das Gericht wissen, warum der heute Angeklagte Jahrzehnte lang mit großer Begeisterung versucht hat, das Familienvermögen nach dem Krieg zurückzugewinnen. Es geht um "Entschädigung," "Versteigerung von Kunstgegenständen," "Liquidation." Aber es war nie um Geld für den Prinzen. Stattdessen handelte es sich um eine emotionale Angelegenheit. Die Eltern konnten nicht mit den Folgen des Krieges und der Vertreibung zurechtkommen.

Er stammt aus einer Familie, in der die Männer Heinrich der 27., Heinrich der 45. oder Heinz Heinrich heißen. Die von dem Alten gemalte Bild seiner Verwandtschaft ist in Wahrheit das eines Dynastie, gekennzeichnet durch Gefühle der Verluste nach dem Krieg. So klingt es in seiner Version.

Prinz Reuss im Reichsbürger-Prozess: Der angeblich verantwortliche Vater als liebevoller Familienvater

Sitzend neben seinem Anwalt erzählt er dem Gericht von der "Schreckensgeschichte" der "Vaterkommission": Zu der Zeit war er neu verheiratet und Vater einer jungen Tochter und war nicht klar, wie kompliziert familiäre Angelegenheiten werden würden. Der Alltag als Unternehmer zum "Ehren der Familie" und die familiale Verantwortung schoben sich zunehmend hin zum Wiederherstellen. Die Mutter war schon alt, "Ich war fast ihre Sklave." Nur sein linker Fuß zuckt leicht, als er die unzufriedene, vorherige Beendigung seiner Bemühungen beschreibt: Auch wenn ich das Familienvermögen nicht zurückbekam, hatte ich mindestens ein Dossier für die nächsten Generationen erstellt.

Der Hauptangeklagte im Reichsbürger-Prozess als liebevoller Familienvater, der sich in der Versuchung um die ererbten Traumen seiner Adelslinie zu lindern verändert hat?

Seit Maximilian Eder, der pensionierte Bundeswehr-Oberst, sich in Frankfurt im Juni eingefunden hat, versuchen die Angeklagten und ihre Anwälte, das Bild der Angeklagten als stillen und gewalttätigen Feinden der Demokratie mit ihrer weichen und persönlichen Gesinnung zu verträumen.

Maximilian Eder, der ehemalige Elitesoldat, wurde von seinem Verteidiger als "Bürger in Uniform" beschrieben, der 38 Jahre gedient hat.

Johanna Findeisen-Juskowiak, die ebenfalls im Reichsbürger-Prozess als Mitangeklagte in Frankfurt steht, erklärte: "Wenn wir mehr Frauen wie unsere Klientin in Deutschland hätten, gab es weniger Messerangriffe." Ihr Anwalt sagte auch: "Diese Frau ist kein Terroristin, diese Frau ist ganz friedlich gesinnt."

Stunden lang sprach Findeisen-Juskowiak über ihr Leben im Waldorf-Milieu am Bodolzesees, von musikalisch begabten Geschwistern – Violoncello, Trompete, Blockflöte – von ihrer verschiedenartigen Karriere als Coach oder "Privatassistentin" in einer Zahnarztpraxis und von ihren Kindern: "Ich bin die glücklichste Mutter der Welt."

Das Hippie-Leben der Angeklagten

Das Gerücht von den Angeklagten klingt wie aus einem Hippie-Idyll, als ob Pippi Langstrumpf irgendwie in ein Staatsschutzverfahren geraten wäre, wegen unverständlicher Gründe.

Die Zuschauer und Presse waren erstaunt, als sie von ihren angeblichen übernatürlichen Erfahrungen, ihrer politischen Karriere als Kandidatin der kleinen Partei dieBasis und ihrer Überzeugung – tief, obschon bekennend: "im Guten, dass Liebe stärker ist als Dunkelheit, dass Liebe und Wahrheit siegen, auch wenn es dunkel ist."

Das Gericht hörte alles auf, mit einer sachlichen Stimme. Neun Personen stehen allein in Frankfurt im Gerichtsverfahren, weitere 17 in Stuttgart und München. Die persönlichen Aussagen alleine – vor den Anklagen des Generalbundesanwalts werden noch nicht angesprochen – werden mehrere Gerichtstage in Anspruch nehmen.

Im Lichte des laufenden Terrorprozesses äußert sich die Tochter des Prinzen, die auch in den Reichsbürgerprozess eingesperrt ist, während der Verhandlung ihre Liebe zu ihrem Vater. Sie unterbricht, sagt "Ich hab dich," und ihre Mutter drängt sie dazu, "Ich liebe dich" zu sagen.

Prinz Reuss, der momentan wegen Verdachts auf die Führung einer Terrororganisation im Prozess steht, wurde in Gericht als liebevoller Vater der Familie beschrieben. Sein Anwalt beschreibt ihn als eine Figur, die "die Familienbesitze nicht zurückgewinnen konnte, aber mindestens eine Datei für die Nachkommen geschaffen hat." Dieser Auftrag steht im scharfen Kontrast zur früheren Darstellung von ihm als Anführer einer Terrorgruppe.

Diese zwei Sätze enthalten die Wörter: ['Terrorprozess', 'Reuss', 'Reichsbürgerprozess', 'Reichsbürger-Razzie', 'Reichsbürgergruppe'].

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