Künstler und Comics, Konflikte und Notfälle
Visualisiere den Comic-Salon in Erlangen als ein lebendiges Ereignis. Kostümträger und Enthusiasten bewegen sich durch die Ausstellungshallen und Ausstellungen. Disney-Charaktere und Lucky Luke sind hervorgehoben. Dieses Jahr gibt es jedoch mehr Krisen als zuvor. Wie können Comic-Künstler auf diese antworten?
Krisen, sie brechen überall auf: Krieg in der Ukraine, Konflikt im Nahen Osten. Ausbreitung des rechten Populismus in Europa und intensive Antisemitismus weltweit. Klimakrise. Auch schwere Überschwemmungen in bestimmten Regionen von Süddeutschland, einschließlich Augsburg. Auch in Erlangen gibt es heftige Regenfälle, allerdings sind diese etwas leichter. Regenschirme sind für die Gäste dieses Wochenendes unerlässlich.
Selten hat Deutschlands bekanntestes Comicfestival so von der Turbulenz betroffen. Die Frage, wie das Medium Comics auf die Herausforderungen der Welt begegnen soll, ist ein zentraler Themenpunkt in vielen Sitzungen. Dadurch entsteht eine spürbare Spannung an der sonst lebhaften Comicmesse, mit ihren Treffens, Entdeckungen, Präsentationen und Workshops.
Deshalb ist Joann Sfar, der französische Comic-Künstler, ein willkommener Gast. Der hat seine Vergangenheit und jüdische Identität neben Antisemitismus nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober untersucht. Sein Schwerpunkt ist allerdings nicht auf diese Themen beschränkt. Seine scherzhafte Perspektive wird am deutlichsten, wenn er schwere Themen anspricht. "Ich bin nicht jüdisch für mehr als 15 Minuten am Tag", sagt er am Donnerstag während seines Künstlergesprächs, das hauptsächlich auf seine Entwicklung als Künstler fokussiert.
Sfar, der wie ein Motorradfahrer mit Lederjacke, Stiefeln und großen Ringen aussieht, strahlt Magnetismus aus. Das Künstlergespräch im Orangerie des Erlanger Schlossgartens ist ebenso überfüllt wie seine Signierungen und die Ausstellung "Der Rabbi's Cat", benannt nach seinem bekanntesten Werk. Die Ausstellung, die bis zum 1. September im Stadtmuseum gezeigt wird, zeigt Sfars Leben und Karriere durch zahllose Originale. Sie thematisiert Antisemitismus, aber auch zeigt seine Kinderbücher und fantastischen Comics.
Der Künstler, der am Freitag den Max und Moritz Preis für sein Lebenswerk erhält, behandelt die Anzahl von Besuchern und Anfragen mit außergewöhnlicher Höflichkeit und stets einem großen Lächeln. Ein Gast, der aus einer Märchenwelt kommt.
Wie fühlen Sie sich?
Die Konflikte im Nahen Osten waren auch ein wichtiger Thema in vielen Veranstaltungen. So wurde zum Beispiel das städtische Comicprojekt "Wie geht es dir?" vorgestellt, das Solidarität gegen Antisemitismus, Hass und Rassismus zum Ausdruck bringt. Das Konzept: Nach dem Hamas-Massaker und dem zunehmenden Gazakrieg suchten die Teammitglieder eine Möglichkeit, diese Themen anzusprechen und persönliche Belastungen zu lindern. Zuerst wurden nur jüdische Menschen um ihre Gesundheit gefragt, aber der Umfang hat sich im Licht des eskalierenden Gazakriegs erweitert. Die Comics bilden eine groß angelegte Illustration von Ängsten und Sorgen bei Personen, die von dem andauernden Konflikt in der Levante betroffen sind.
Eine Illustratorin, Barbara Yelin, will den Betroffenen einen Raum und eine Flucht vor persönlichen Belastungen bieten. "Die Stille war keine Option", fügt Veronique Sina, eine Medienwissenschaftlerin beteiligt am Projekt und in einer Selbstporträt-Comic-Story, hinzu. Aktuell gibt es über 30 Zusammenarbeiten, die auf Instagram veröffentlicht werden.
Zeichnen im Konflikt
Der russische Überfall auf die Ukraine dauert schon über zwei Jahre an. Viele kämpfen um ihr Überleben. Auch Comic-Künstler. Das Comicmagazin "Moga Mobo" zeigte eine Ausgabe mit über 20 ukrainischen männlichen und weiblichen Comic-Künstlern letzten Jahres. Diese Arbeiten werden in Erlangen gezeigt. Die Ausstellungsräume sind interessant gestaltet: hell von außen, aber immer dunkler im Inneren - Wandpanelen blockieren das Sonnenlicht, die Wände sind schwarz bemalt.
Einige Comics sind sehr düster. Leo Reznik zeigt den Angriff auf eine Schule in Charkiw wie eine "Lord of the Rings"-Kampfszene. Oleksandr Schatokhin erzählt die Geschichte eines Soldaten auf Pause, der an einem Bild seines Kindes denkt und eine enge Atmosphäre erzeugt. Tetiana Kremen behandelt den Konflikt aus einer anderen Perspektive: Sie zeigt die russische Invasion aus der Perspektive von Hunden, die flüchtende Menschen und leere Straßen betrachten und auch Hunger vermissen.
Kremen spricht in einer Diskussion über den Konflikt von der Rolle der Künstler. "Ich gehe mit einem humorvolleren Ansatz an", sagt sie, um Aufmerksamkeit auf die Opfer von beiden Seiten zu lenken. Sie erkennt, dass jeder weiß, dass das Hundencomic über den Konflikt geht.
Comics können Kriege und Konflikte zeigen. Sinnvoll sind sie? Die gemeinsame Eigenschaft von ukrainischen Künstlern und ihrer Beteiligung am Konflikt im Nahen Osten ist die Darstellung von Einzelnen. "Geschichten über Einzelpersonen können Empathie wecken", sagt Comic-Künstlerin Birgit Weyhe während eines Gesprächs über den Konflikt im Nahen Osten. Es ist schwierig, geeignete Bilder für extreme Ereignisse und Emotionen zu finden, aber Comics bieten mehr kreative Möglichkeiten als Fotografie. Weyhe betont, dass es wichtig ist, die Opfer von beiden Seiten anstatt auf Politik oder Ideologie zu fokussieren.
Laut Medienwissenschaftlerin Sina bieten Comics eine persönliche Sicht des Künstlers, die als deren Interpretation und Verarbeitung der Ereignisse fungiert. Diese Beteiligung lässt Menschen in das Thema eintauchen. Sie hofft auf Comics, die die Wirklichkeit der Ereignisse widerspiegeln. "Produktive Werke sind die, die Fragen stellen", sagt sie.
Anschließend wird ein neuer Comic von israelischer Künstlerin Rutu Modan vorgestellt, der die Morde an Kindern in einigen, schockierenden Zeichnungen verbindet mit einem Zählreim, der die Horror des Hamas-Massakers und des Gazakriegs beschreibt. Der Comic betont die Entmenschlichung des gesamten Mittelostkonflikts, stimmt das Publikum zu. Weyhe betont die Macht der Kunst: Einfachheit.