Verkehr - Nachhilfe bei der Schweizer Bahn: Deutschlands „Sorgenkind“
Die Unzufriedenheit der Schweizer mit der Deutschen Bahn ist im grenzüberschreitenden Bahnverkehr spürbar. „Deutschland ist unser Sorgenkind“, sagte Peter Füglistaler, Chef des Schweizer Bundesamtes für Verkehr, der Nachrichtenagentur dpa.
Mittlerweile ist die Hälfte der Züge, die Deutschland verlassen, nicht pünktlich. „Aus unserer Sicht ist das unvernünftig“, sagte er. „Züge müssen einfach in 85 bis 90 Prozent der Fälle pünktlich sein.“ Hier kommt das Eisenbahnmanagement ins Spiel. „Sie müssen es tun.“
Schweizer Beratung
Die Schweiz reduziert die Zahl der grenzüberschreitenden Verbindungen über Basel. Bei Zügen der Deutschen Bahn, die mehr als 15 Minuten Verspätung haben, endet die Fahrt in Basel. Stattdessen setzt die Schweizerische Bundesbahn (SBB) eigene Züge ein, die pünktlich ab der Grenze verkehren. Fahrgäste im verspäteten Zug müssen in den nächsten Zug umsteigen. Die Pünktlichkeitsquote der SBB liegt bei 92,5 %, Züge mit einer Verspätung von drei Minuten oder mehr gelten als unpünktlich.
Die Schweiz berät Deutschland. Füglistaler sagte, ein weiteres Treffen sei für Januar geplant. „Wie finanziere ich die Infrastruktur? Welche Standards muss das Management einhalten, um Pünktlichkeit, Sicherheit und Sauberkeit zu verbessern? Das sind alles Elemente, die wir diskutieren.“ Die Schweiz hat in dieser Hinsicht 30 Jahre früher begonnen als Deutschland. In der Schweiz geht es bei der Bahninfrastruktur nicht um Profit, sondern um einen enormen Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft.
Das deutsche Schienennetz ist 33.500 Kilometer lang und damit fast siebenmal länger als das Schweizer Schienennetz. Auch die persönlichen Verbindungen in Deutschland sind länger. Das Verkehrsnetz in Deutschland ist sehr komplex – es gibt viele Knotenpunkte, Personen- und Güterverkehr verkehren häufig auf denselben Strecken. Ein erheblicher Teil des Netzausbaus und der Streckenverbesserungen wird vom Bund finanziert. Aber es gibt noch viel mehr zu tun.
„Ein gutes Bahnsystem kostet Geld“
Die Schweiz verfügt über einen Eisenbahninfrastrukturfonds, der aus Mehrwertsteuer und Straßenbenutzungsgebühren finanziert wird. Dadurch erhalten Sie Planungssicherheit für mehrere Jahre. Nach Angaben des Vereins Allianz pro Schiene wird die Schweiz im Jahr 2022 rund 450 Euro pro Person in die Schieneninfrastruktur investieren, verglichen mit 114 Euro in Deutschland – weniger als viele Nachbarländer und das Vereinigte Königreich. „Ein gutes Schienensystem kostet Geld, kann aber auch genutzt werden“, sagte Füglistaler. Nach Angaben des Bundesamtes für Verkehr legt der durchschnittliche Schweizer Mensch jedes Jahr 2.464 Kilometer mit der Bahn zurück, in Deutschland legt er durchschnittlich 1.206 Kilometer mit der Bahn zurück.
Füglistaler steht der Forderung nach schnelleren Zügen skeptisch gegenüber. Die Schweiz setzt mehr auf Kapazität als auf Geschwindigkeit. „Ein Doppelstockzug hat doppelt so viele Sitzplätze wie ein Doppelstockzug“, sagte er. „Obwohl es etwas länger dauert, kann es viele Menschen transportieren.“ Natürlich gibt es in Deutschland andere Maßstäbe und Hochgeschwindigkeitszüge machen dort mehr Sinn. „Aber 250 km/h können ausreichen, nicht unbedingt 360 km/h. Ein 360 km/h schneller ICE ist für einige attraktiv. Ein Doppelstockzug mit 250 km/h, der regelmäßig und pünktlich fährt, ist für viele attraktiv.“ „In der Schweiz beträgt die Höchstgeschwindigkeit von Zügen in der Regel 200 km/h.
Zudem setzt die Schweiz auf „dünne Verbindungen“ statt auf Fernzüge. Das bedeutet, dass einzelne Verzögerungen nicht gleich das gesamte System belasten. „Es ist normal, dass wir uns ändern“, sagte er. „Wir wissen aber auch, dass Anschlusszüge in der Regel innerhalb von Minuten eintreffen. Das funktioniert nur mit einem Just-in-Time-System.“
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Quelle: www.stern.de