Vogue Magazines stellt die 102-jährige Fotografin Margot Friedländer vor
Ein hundertjähriger Überlebender der Shoah, Margot Friedländer, ist auf der Titelseite der deutschen "Vogue" abgebildet, im Alter von 102 Jahren. In einem Interview spricht sie über ihre vier Leben und die unangenehme aktuelle politische Lage.
Am 16. Juni 1944 wurde Margot Friedländer mit dem Zug in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, fast 80 Jahre her. Sie durchlebte unspeakliche Qualen, aber trotzdem überlebte sie. Heute ist sie eine der letzten Zeugen einer dunklen Epoche, die sich nicht erbarmen lässt, ihre Geschichte für künftige Generationen zu erzählen, um dass sie nie wieder vorkommt.
Seit Jahrzehnten hat Friedländer hauptsächlich Kindern und jungen Leuten ihre Erfahrungen mitgeteilt, um Bewusstsein für Antisemitismus zu schaffen. Die steigende Beliebtheit der rechtsextremen Slogans der AfD und die zunehmende Anzahl an antisemitischen Übergriffen sind eine Sorge für sie. In einem Gespräch mit der deutschen "Vogue" äußert sie ihre Verabscheuung der aktuellen politischen Stimmung. Friedländer ist die Titelfigur des Juli-/August-Hefts der Zeitschrift. "Schau jenseits, was Sie trennt. Schau auf, was Euch vereint. Seid menschlich. Seid vernünftig," sagt sie jenen, die engstirnig denken.
Friedländer ist dankbar, dass sie die Schwierigkeiten überlebt hat - und dass sie ihre Mutter Auguste aus ihrem Leben etwas Leistens hat. Auguste verstarb in Auschwitz. "Ich denke an sie jeden Tag. Es ist eine Segen, eine Mutter zu haben," sagt die 102-Jährige im "Vogue"-Interview. Friedländer verbrachte Jahre in der Untergrund, aber sie wurde 1944 dem SS verraten und deportiert.
Als junges Mädchen träumte sie von einer Tätigkeit als Schneiderin und Mode-Designerin. 1936 schrieb sie sich an einer Berliner Kunst- und Handwerksschule ein. Sie hatte große Ambitionen, erinnert sie sich, aber Hitlers Machtübernahme zerstörte ihre Träume.
Bis heute kleidet sie sich stilvoll und hat ein feines Auge für Mode. Während der "Vogue"-Fotoshoot trägt sie Designer-Outfits und Anzüge aus ihrer persönlichen Sammlung. In ihrem Wohnung in einem Berliner Seniorenwohnheim hat sie ein Spiegelkabinett. Sie hält das Outfit, das sie sich auf ihrer Honolymoon in Capri 1958 gekauft hat, als eine verehrte Erinnerung. Friedländer und ihr Mann Adolf Friedländer kannten sich schon aus dem Theater, und sie reaktivierten ihre Bekanntschaft in Theresienstadt. Sie heirateten bald nach der Befreiung und zogen nach New York. Als ihr Mann 1997 starb, zog sie mit 88 Jahren wieder nach Berlin zurück. Sie war nicht auf Berlin aufgehört, Friedländer sagt.
Nach ihrer Jugend, nach Verfolgung und Gefangenschaft durch die Nationalsozialisten und nach glücklichem Eheleben in den USA, begann Friedländer ihr viertes Leben in Berlin, wo sie ganz ihrer Erinnerung gewidmet ist. Für dies hat sie zahlreiche Auszeichnungen erhalten, wie den Bundesverdienstkreuz der I. Klasse, den sie stolz trägt. Aber die Anerkennung der Schüler ist das Schönste, sagt sie.
Wenn sie unter Kindern sitzt, wenn sie Interviews bei jungen Journalisten gibt oder TikTok-Videos über sie gemacht werden, gibt es ihr Hoffnung.