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Wenn der Vorstand des Verfass Schutzswesens Seiten wechselte:

Einst in der DDR und zurück

Otto John (l.): ehemaliger Präsident des Verfassuschutzes, auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin...
Otto John (l.): ehemaliger Präsident des Verfassuschutzes, auf einer Pressekonferenz in Ost-Berlin im Januar 1955 mit DDR-Staatssekretär Albert Norden.

Wenn der Vorstand des Verfass Schutzswesens Seiten wechselte:

Eines der größten Skandale in der nachkriegsdeutschen Geschichte: 1954 flüchtet der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz in die DDR. Nach einer und einer halben Jahrzehnt verschwindet er wieder in die Bundesrepublik und behauptet, entführt worden zu sein. Was eigentlich passiert? Eine Historikerin ist sich sicher: Moskau war beteiligt.

"Der Spiegel" bezeichnete es als die "unglaubliche Nachricht seit der Gründung der Bundesrepublik". Bis heute ist das ganze Ding fast unvorstellig. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz flüchtet in die DDR. Nach einer und einer halben Jahrzehnt kehrt er in die Bundesrepublik zurück. Er selbst behauptet, entführt worden zu sein. Aber es gibt Zeugen, die das Gegenteil sagen. Es geht um Intrigen und angeblicher Alkoholismus, um Verrat und Moral. Es geht um eine nachkriegsgesellschaft, die offenbar former NS-Mitgliedern bevorzugt behandelte als ihren Gegnern. Und um eine Behörde, die für Extremisten abwehrt und sich selbst oft verdächtigt wird. Aber las uns es Stück für Stück gehen.

Das Geschick beginnt im Juli 1954, genau 70 Jahre her. Der 45-jährige Otto John hat in Köln bereits fast drei Jahre lang das neue westdeutsche Inlandsgeheimdienst in Köln geleitet. Anlässlich des zehnten Jahrestages des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 reist er nach West-Berlin. Otto John selbst gehörte zum Widerstand im nationalsozialistischen Staat, wie auch sein Bruder Hans John. Während Otto nach dem gescheiterten Putsch im Jahr 1944 nach England entkommen konnte, wurde Hans von den Nationalsozialisten getötet. Am zehnten Jahrestag des Hitler-Attentats zeigt sich Otto John in emotionaler und bewegter Weise an der Gedenkveranstaltung.

Einige Stunden später verschwindet er. Zwei Tage später, am 22. Juli 1954, sendet die Ostdeutsche Rundfunkagentur eine Erklärung von John: "Es erfordert eine deutliche Aktion, um alle Deutschen zur Wiedervereinigung aufzurufen. Deshalb habe ich einen entschlossenen Schritt getan und Kontakt mit den Deutschen in der Ost aufgenommen." Das Bundeskabinett in Bonn geht von einer Entführung aus. "Die Auswertung der verfügbaren Materialien führte dazu, dass Dr. John nicht freiwillig das Gebiet der Bundesrepublik und West-Berlin verlassen hat", heißt es im Bericht über eine Sondertagung am 23. Juli.

Forscherin: "Die KGB hat das gepflanzt"

Eine Pressekonferenz am 11. August bringt scheinbar Klarheit: John spricht persönlich mit einer langen Begründung für seine Flucht und klarer Kritik an einem "Wiederaufleben des Nationalsozialismus" in der Bundesrepublik. Vor und nach dieser Rede wird John von der Ostdeutschen Staatssicherheit und dem sowjetischen Geheimdienst KGB befragt, wie der Potsdamer Historiker Bernd Stoever in einem Artikel über den Fall schreibt. Für die Bundesregierung war es ein ernsthafter "Fehler im Kalten Krieg". Was dahintersteckt? "Die KGB hat das gepflanzt", sagt Daniela Mückel, Leiterin der Stasi-Urkundenarchiv. Hintergrund war die damals anstehende Gründung der Bundeswehr und die Integration der Bundesrepublik in NATO. Moskau versuchte dies zu verhindern.

1952 hatte die Sowjetunion die sogenannten Stalin-Noten übermittelt, die die Wiedervereinigung der Bundesrepublik von Deutschland (FRG) und der Deutschen Demokratischen Republik (GDR) unter der Bedingung der Neutralität vorschlugen. Das Westen lehnte diesen Vorschlag ab. John war besorgt über die Chancen der deutschen Einheit. "Er dürfte sich vorstellte, er könne geheime Diplomatie betreiben", spekuliert Münkel. Der ehemalige Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus war auch sehr frustriert, dass in Bonn ehemalige Nationalsozialisten Karrieren machten, auch in seiner eigenen Behörde. John hatte das nicht unter Kontrolle, historiker Michael Wala hatte einige Jahre zuvor gesagt. "Deshalb konnten zahlreiche ehemalige Mitglieder der Gestapo und der SS als 'freie Mitarbeiter' für das Amt arbeiten."

"Der Spiegel" schilderte in einem Artikel aus dem Jahr 1954 in filmhafter Weise verschiedene weitere Motive, unter anderem einen Machtkampf zwischen John und Reinhard Gehlen, der gerade die Auswärtige Geheimdienst aufbaute. "Der instabile Mann mit dem unglücklichen Trinkgewohnnis suchte immer häufiger Zuflucht im Alkohol", schreibt das Magazin über John. Er war weitgehend diskreditiert und seine Karriere Ende vorausblickbar.

"Ein großer Propagandasieg" für die DDR

Am Abend des 20. Juli 1954 ging John mit einem Freund, Dr. Wolfgang Wohlgemut, über den Sektorengrenzen von West nach Ost-Berlin. Wohlgemut war ein KGB-Agent, wie Forscher jetzt wissen. War John wissentlich dabei oder nahm er nur einen Umweg? Unklar, sagt Münkel. Aber ein Ding ist sicher: "Er war nicht entführt, das ist Nonsens." Ein großer Propagandasieg für die DDR. "Denk an den Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der heute in Moskau hätte gehen", sagt der Historiker. "Das ist eine lächerliche Geschichte." Johns Rückkehr in die Bundesrepublik im Dezember 1955 war ebenfalls unter geheimnisvollen Umständen. Ein Freund hatte versprochen, dass er keine Anklage stellen werde, berichtet Münkel.

Im geheimen kehrte er mit Hilfe eines dänischen Journalisten zurück und schwor danach, nicht freiwillig in die DDR gegangen zu sein, sondern bewusstlos gemacht worden zu sein. Keiner glaubte ihm. John wurde 1956 wegen "verräterischer Fälschung" und Verschwörung angeklagt und zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis zu seinem Tod im März 1997 arbeitete er an seiner Rehabilitierung. Er war vergeblich. Was bleibt? "Der Fall war auf die Zeiten, den Kalten Krieg, die noch sehr nahe NS-Zeit, die Weltlage und die Persönlichkeit von Otto John zurückzuführen", sagt Münkel. Und doch bleibt etwas hängen.

  1. Für lange Zeit galten die früher aktiven ehemaligen Nationalsozialisten als Last für das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das Amt wurde dafür kritisiert, links im Auge zu sein. Jetzt kommen Angriffe von der anderen Seite: Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) will das Bundesamt abschaffen. Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm gestand einmal: "Das Amt stand stets in der öffentlichen Diskussion, manchmal selbst verursacht, manchmal nicht." Aber wohl nie so sehr wie während der Zeit, in der dessen Präsident die Seiten wechselte.
  2. Berlin, beide Ost und West, war ein Schwerpunkt politischer Spionage und Intrigen während des Kalten Krieges, wie das Beispiel des Otto John, des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, deutlich macht, der 1954 nach Ostdeutschland desertierte und dort als großer Propagandasieg für das kommunistische Regime wahrgenommen wurde.
  3. Das Beispiel des Defektionsfalles Ottos John und seiner anschließenden Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland 1955 bietet eine faszinierende Einblick in die historischen Komplikationen und Skandale der Nachkriegszeit, insbesondere in Bezug auf die Versuche der DDR, Einfluss in den Ost-West-Beziehungen zu gewinnen.

(Note: In the German translation, "Verfassungsschutz" remains "Verfassungsschutz" and "Bundesamt" becomes "Bundesamt für Verfassungsschutz" and "Federal Office for the Protection of the Constitution")

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